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Die maximale Bodengeschwindigkeit und deren Zusammenhang mit der Intensität.

PGV und Intensität

Die maximale Bodengeschwindigkeit wird als Peak-Ground-Velocity (PGV) bezeichnet und ist der zentrale Messwert des MSS Netzwerks. Die PGV wird aus den gemessenen Bodengeschwindigkeiten errechnet und über eine empirische Beziehung der seismischen Intensität zugeordnet.

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Die Peak Ground Velocity (PGV) ist eine in der Ingenieurseismologie übliche Größe zur Bewertung der Belastung durch seismische Wellen. Sie gibt die maximale Schwinggeschwindigkeit an. Die für das MSS Netzwerk verwendete Formel zur Berechnung der PGV lautet:

\[\mathrm{PGV} = \max_{t_1 \leq k \leq t_2}{\sqrt{\mathrm{HN}_k^2 + \mathrm{HP}_k^2}}\]

\(\mathrm{HN_k}\) und \(\mathrm{HP_k}\) sind die zeitgleichen Amplituden der beiden horizontalen Komponeneten des MacroSeismic Sensors Hnormal und HParallel. Das Maximum wird über die Samples zwischen den Zeitpunkten \(t_1\) und \(t_2\) (Zeitwerte in Samples) gebildet.

Die PGV Werte des MSS Netzwerks werden für eine Zeitspanne von 1 Sekunde und mit einer Samplingrate von 1 Sample pro Sekunde berechnet. Die Basisdaten zur Berechnung der PGV (\(\mathrm{HN_k}\) und \(\mathrm{HP_k}\)) haben eine Samplingrate von 100 Samples pro Sekunden.

Intensität nach EMS-98

Die europäische Makroseismische Skala (EMS-98) dient zur Bestimmung der makroseismischen Intensität. Tabelle 1 zeigt die Kurzform der EMS-98. Sie wird vor allem in den Ländern Europas verwendet. Die makroseismische Intensität beschreibt die Stärke von Bodenerschütterungen basierend auf den Beobachtung deren Auswirkung auf das Menschliche Verhalten, die Umwelt und die menschliche Infrastruktur. Die folgende Tabelle ist die Kurzform der EMS-98. Die ausführliche Originalversion sowie Übersetzungen können von der Homepage des Geoforschungszentums Potsdam bezogen werden. In deutscher Übersetzung ist die Kurzversion sowie der Kernteil der EMS-98 vorhanden.

EMS-98 Kurzform.
Intensität Definition Beschreibung
1 nicht fühlbar Nicht fühlbar.
2 kaum bemerkbar Nur sehr vereinzelt von ruhenden Personen wahrgenommen.
3 schwach Von wenigen Personen in Gebäuden wahrgenommen. Ruhende Personen fühlen ein leichtes Schwingen oder Erschüttern.
4 deutlich Im Freien vereinzelt, in Gebäuden von vielen Personen wahrgenommen. Einige Schlafende erwachen. Geschirr und Fenster klirren, Türen klappern.
5 stark Im Freien von wenigen, in Gebäuden von den meisten Personen wahrgenommen. Viele Schlafende erwachen. Wenige werden verängstigt. Gebäude werden insgesamt erschüttert. Hängende Gegenstände pendeln stark, kleine Gegenstände werden verschoben. Türen und Fenster schlagen auf oder zu.
6 leichte Gebäudeschäden Viele Personen erschrecken und flüchten ins Freie. Einige Gegenstände fallen um. An vielen Häusern, vornehmlich in schlechterem Zustand, entstehen leichte Schäden wie feine Mauerrisse und das Abfallen von z.B. kleinen Verputzteilen.
7 Gebäudeschäden Die meisten Personen erschrecken und flüchten ins Freie. Möbel werden verschoben. Gegenstände fallen in großen Mengen aus Regalen. An vielen Häusern solider Bauart treten mäßige Schäden auf (kleine Mauerrisse, Abfall von Putz, Herabfallen von Schornsteinteilen). Vornehmlich Gebäude in schlechterem Zustand zeigen größere Mauerrisse und Einsturz von Zwischenwänden.
8 schwere Gebäudeschäden Viele Personen verlieren das Gleichgewicht. An vielen Gebäuden einfacher Bausubstanz treten schwere Schäden auf; d.h. Giebelteile und Dachsimse stürzen ein. Einige Gebäude sehr einfacher Bauart stürzen ein.
9 zerstörend Allgemeine Panik unter den Betroffenen. Sogar gut gebaute gewöhnliche Bauten zeigen sehr schwere Schäden und teilweisen Einsturz tragender Bauteile. Viele schwächere Bauten stürzen ein.
10 sehr zerstörend Viele gut gebaute Häuser werden zerstört oder erleiden schwere Beschädigungen.
11 verwüstend Die meisten Bauwerke, selbst einige mit gutem erdbebengerechtem Konstruktionsentwurf und -ausführung, werden zerstört.
12 vollständig verwüstend Nahezu alle Konstruktionen werden zerstört.

Zusammenhang zwischen PGV und Intensität

Die makroseismische Intensität beruht auf Beobachtungen der Auswirkung der Bodenerschütterung auf die Umwelt. Einen klar definierten Zusammenhang zu einem physikalischen Messwert wie der Bodengeschwindigkeit gibt es nicht, da die Auswirkungen der Bodenerschütterung nicht nur von deren Amplitude, sondern auch von der individuellen Wahrnehmung, dem Aufenthaltsort (z.B. auf einer weiten Wiese oder im obersten Stock eines Hochhauses, der Bausubstanz der Infrastruktur und vielen weiteren, teils subjektiven Wahrnehmungen abhängt.

Die Zuordnung der maximalen Bodengeschwindigkeit erfolgt über empirische Beziehungen, die speziell für einzelne Regionen bestimmt werden müssen. Im Zeitraum von Oktober 2017 bis Oktober 2020 wurde für 16 Erdbeben im Bereich des MSS Netzwerks die makroseismische Intensität durch den seismologischen Dienst der ZAMG bestimmt. Die Bestimmung erfolgte entsprechend der EMS-98 Skala. Mit diesem Datenmaterial wurde eine Beziehung von makroseismischen Intensitäten zu an Stationen des MSS Netzwerks gemessenen PGV Werten erstellt [1]. Die makroseismischen Intensitätswerte, die an diskreten Positionen vorliegen, werden den MSS Stationen zugeordnet. Makroseismische Intensitätswerte in einem Umkreis von 5 km einer Station wurden dieser zugewiesen. Insgesamt wurden auf diese Weise 120 PGV-Intensitätspaare erstellt.

Abbildung 1a zeigt die Verteilung der PGV-Intensitätspaare für unterschiedliche PGV Bereiche entsprechend der beiden Klassen gefühlt und nicht gefühlt. Die Anzahl der gefühlt Klasse übersteigt die ungefühlte ab dem Bereich 0.1-0.3 mm/s. Aus diesem Grund haben verwenden wir für die Fühlbarkeitschwelle den Werte PGV = 0.1 mm/s.

Die hohe Streuung der PGV-Intensitätspaare ist in Abbildung 1b zu erkennen. Sie übersteigt teilweise eine Größenordnung. Aus der zuvor bestimmten Fühlbarkeitsschwelle, die der Intensität I = 2 der EMS-98 Skala entspricht und der Verteilung der PGV-Intensitätspaare wurde empirisch die in Abbildung 1b dargestellte nichtlineare PGV-Intensitätsbeziehung ermittelt. Tabelle 2 zeigt die den Intensitäten zugeordneten PGV Werte.

Anzahl der PGV-Intensityätspaare, die die als nicht gefühlt (not felt) bzw. gefühlt (felt) eingestuft wurden (a). Darstellung der PGV-Intensitätspaare mit der empirisch bestimmten PGV-Intensitätsbeziehung.
Anzahl der PGV-Intensityätspaare, die die als nicht gefühlt (not felt) bzw. gefühlt (felt) eingestuft wurden (a). Darstellung der PGV-Intensitätspaare mit der empirisch bestimmten PGV-Intensitätsbeziehung. (Quelle: Brückl et.al., 2021 )
Empirische Beziehung der PGV zur Intensität der EMS-98 Skala. Der PGV Wert entspricht jeweils der unteren Grenze des entsprechenden Intensitätsbereichs.
PGV [mm/s] Intensität Definition Beschreibung
< 0.1 I nicht fühlbar Nicht fühlbar.
0.1 II kaum bemerkbar Nur sehr vereinzelt von ruhenden Personen wahrgenommen.
0.316 III schwach Von wenigen Personen in Gebäuden wahrgenommen. Ruhende Personen fühlen ein leichtes Schwingen oder Erschüttern.
1.0 IV deutlich Im Freien vereinzelt, in Gebäuden von vielen Personen wahrgenommen. Einige Schlafende erwachen. Geschirr und Fenster klirren, Türen klappern.
10.0 V stark Im Freien von wenigen, in Gebäuden von den meisten Personen wahrgenommen. Viele Schlafende erwachen. Wenige werden verängstigt. Gebäude werden insgesamt erschüttert. Hängende Gegenstände pendeln stark, kleine Gegenstände werden verschoben. Türen und Fenster schlagen auf oder zu.
100.0 VI leichte Gebäudeschäden Viele Personen erschrecken und flüchten ins Freie. Einige Gegenstände fallen um. An vielen Häusern, vornehmlich in schlechterem Zustand, entstehen leichte Schäden wie feine Mauerrisse und das Abfallen von z.B. kleinen Verputzteilen.

Kalibration

Die relative Frequenzantwort des MacroSeismic Sensors bedingt eine Verringerung des mit den obigen Formeln ermittelten PGV – Wertes. Weiter wird für die Beurteilung von Sprengerschütterungen nicht PGV (Resultierende der Horizontalkomponenten), sondern VR (Resultierende aus allen drei Komponenten) herangezogen. Durch Vergleich mit den Daten eines, dem einschlägigen Normen ( DIN 45669, ÖNORM S 9020) entsprechenden 3-Komponenten Messsystems bestimmen wir daher Kalibrationsfaktoren, die eine Umrechnung von \(\mathrm{PGV}_{MSS}\) (aus Daten des MacroSeismic Sensors) in PGV (aus Daten eines das Signalspektrum mit konstanter Empfindlichkeit erfassenden Messsystems) und VR ermöglichen. Ein derartiges Messsystem ist seit November 2017 im Steinbruch Dürnbach (Station DUBA) neben dem MacroSeismic Sensor AT11 installiert. Aus den bisherigen Vergleichsmessungen ergeben sich die folgenden Kalibrationsfaktoren:

\[\frac{\mathrm{PGV}}{\mathrm{PGV}_{MSS}} = 1.04 \pm 0.13\] \[\frac{\mathrm{VR}}{\mathrm{PGV}} = 1.03 \pm 0.03\]

Bibliografie


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"PGV und Intensität", MSS Team, 2024-01-05, www.macroseismicsensor.at, lizensiert unter CC BY-SA 4.0